Unverhofft kommt Freitags

Freitag ist ein toller Tag, er leitet das Wochenende ein und man verspürt schon die Vorfreude auf die bevorstehenden freien Tage. Als fauler Physio habe ich jeden zweiten Freitag im Monat frei, so auch heute. Doch weit gefehlt, wenn der Leser dieses Beitrags nun denkt, dass ich mir an diesen Tagen einen faulen Lenz mache, bis in die Puppen schlafe und auch sonst nichts auf die Reihe kriege. Freitag ist mein „Getting things done-Tag“, mein „Alles-zu-dem-man-sonst-nicht-kommt-wird-erledigt-Tag“.

So auch heute, ich stand bereits um halb acht auf und meine erste Amtshandlung war das Fitnessstudio. Danach die Hausarbeit, meine bessere Hälfte während seiner Mittagspause treffen und danach alles für den bevorstehenden Wochenendausflug erledigen. D. h. einkaufen, den Wassertank des Wohnmobils füllen usw… Ich ahnte noch nicht, dass dieser Freitag besonders werden sollte.

Alles fing damit an, dass ich, nachdem ich mit meiner besseren Hälfte zu Mittag gegessen hatte, die U-Bahn nach Hause nahm. Mein Kopf war mit der imaginären To-Do-Liste beschäftigt, die ich im Geiste abhakte. Ich bemerkte aus dem Augenwinkel, dass mich jemand ansah und blickte in die Richtung dieser Person. Es war eine Frau, ich schätze sie um die 50 Jahre und ich wusste, dass ich sie schon mal irgendwo gesehen hatte. Sie lächelte breit, sprang sogleich von ihrem Sitz auf und kam auf mich zu.

„Wir haben uns letzte Woche in der U-Bahn unterhalten, als Sie gerade Ihre neue Kaffeemaschine gekauft hatten.“, sprach sie mich an.

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war die nette Frau von neulich, die mich beobachtete, wie ich im Stechschritt das große, schwere Paket die Treppen nach unten zur U-Bahn wuchtete und mich dann, erschöpft von der Last, auf den Sitz gegenüber von ihr niederließ.

„Ja, ich erinnere mich. Die Kaffeemaschine habe ich heil heimgebracht. Sie funktioniert bestens!“, entgegnete ich

„Ich hab Sie gestern zufällig nochmal gesehen!“, sagte Sie. „Sie hatten so ein hübsches, grünes Kleid an, aber ich konnte zuerst nicht zuordnen, wer sie sind. Als ich Sie jetzt gesehen habe, fiel es mir wieder ein. Sie haben so eine frische und fröhliche Ausstrahlung.“

„Vielen Dank…“ stotterte ich, ein wenig verdutzt ein solches Kompliment zu bekommen.

Meine Haltestelle kam und ich verabschiedete mich von der netten Frau. Na, sowas passiert einem auch nicht alle Tage, dachte ich mir und ging mit einem Lächeln zum Einkaufen.

Schwer bepackt verließ ich kurze Zeit später wieder den Laden und fuhr eine weitere Station mit der U-Bahn nach Hause. Ich war gerade wieder an der Oberfläche angekommen, als ich eine Männerstimme hinter mir hörte: „Entschuldigung?“

Ich drehte mich um. Ein junger Kerl, anfang 20, grinste mich breit an und kam auf mich zu. Mein erster Gedanke war „Oh Gott, habe ich etwas verloren? Vielleicht ist mir was aus den übervollen Einkaufstaschen gefallen.“

„Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen blöd…“, sagte er. „Aber ich find‘ Deine Füße sehr schön.“

„Meine Füße?“, wiederholte ich verdutzt, mit ein wenig Sarkasmus in der Stimme.

„Ja, die haben eine tolle Form und sind echt schön anzusehen.“

Ich sah ungläubig auf meine für mich so stinknormalen Füße herab. Sie steckten in Flip Flops und ich war froh, dass ich noch vor zwei Tagen meine Fußnägel geschnitten hatte.

„Danke… das ist etwas, was man nicht alle Tage hört.“, entgegnete ich, innerlich erfreut über dieses Kompliment.

Der junge Mann fragte mich sogleich was ich heute noch vor hätte. Ich ahnte worauf das hinausführen würde und versuchte ausweichend, aber freundlich zu antworten. Nach so einem netten Kompliment wollte ich ihn nicht einfach vor den Kopf stoßen.

„Zunächst muss ich diese schweren Einkaufstaschen heimtragen. Dann ist meine Arbeit für heute erledigt.“

Er bemerkte meinen Ring an der linken Hand. „Ist das ein Ehering?“, fragte er.

Ich lüge nur äußerst ungern, aber in so einer Situation ist es manchmal besser, die Wahrheit zu verschweigen. Dadurch erspart man sich umständliches Ablehnen von Angeboten und die Umstände sind von Anfang an geklärt.

„In der Tat, ich bin verheiratet.“, flunkerte ich.

„Das dachte ich mir“, sagte er, meiner Meinung nach sogar ein wenig geknickt. „Macht es Dir etwas aus, wenn ich Dich ein Stück begleite und Dir vielleicht die schweren Taschen abnehme? Einfach nur wegen Dir und Deiner Füße.“

Da konnte ich nicht Nein sagen. Vor allen Dingen, weil ich mir im Fitnessstudio etwas den Hals verzogen habe (ja, auch einem Physio passiert so etwas) und meine Schulter tatsächlich vom Tragen wehtat. So begleitete er mich ein paar Meter, trug meine Einkaufstaschen, bis wir an einem Supermarkt vorbeikamen, in den er sich verabschiedete. Von dort hatte ich es nicht mehr weit bis nach Hause und die Geschehnisse der letzten halben Stunde beflügelten mich so sehr, dass ich den restlichen Weg mich Leichtigkeit zurücklegte. So kann der Wochenendausflug kommen.

Füße

Die ach so schönen Füße auf dem Weg ins Wochenende

Viele Komplimente und immer saubere Füße, wenn ihr es braucht, wünscht euch euer

Zaunfink Signatur detailliert2

 

 

 

Vom Schweben und Landen

Mal wieder auf der Straße. Mal wieder unterwegs von Nord nach Süd, einmal längs durch die Bundesrepublik. Hinter uns liegen drei Tage digitales Detoxen, Kaffee mit Mandelmilch und jede Menge Musik. So etwas passiert, wenn man neugierig ist und das „A Summer’s Tale Festival“ ausprobieren möchte.

Wir haben Matcha-Tee getrunken (gar nicht mein Fall), Haarbänder geknüpft (schon eher was für mich) und im Gras liegend Piano-Klängen gelauscht (total meine Welt). Die verschiedenen Gerüche haben uns von einem Essenstand zum nächsten gezogen, wir haben verstörende interessante Aufführungen unbekannter Künstlergruppen gesehen und unser eigenes Souvenir aus Holz gesägt und gebrandmarkt.

Der krönende Abschluss am Samstag Abend war das Konzert von Parov Stelar. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Hippie in uns so gut trainiert, dass auch wir uns ungeniert der tanzenden Menge im Regen vor der Bühne abschlossen und das Konzert abzappelten. Was zwei Tage mit einem Menschen anstellen können… Da mutiert man vom Stadt-Homosapiens zum dauergrinsenden Hippie-Verschnitt. Und das ganz ohne Drogen (klingt komisch, ist aber so.)

Um wieder runter von unserem Trip und zurück ins Hier und Jetzt zu holen gaben wir uns gestern noch die volle Stadtdröhnung und verbrachten den Tag in Hamburg. Schneller und heftiger kann man nicht in die Zivilisation zurückgeholt werden. Dagegen wird das heimige München wieder der reinste Erholungsurlaub.

Endlich hat das Lotterleben ein Ende! Aufs Heimkommen freut sich der

Zaunfink

Ein Sommermärchen

In unserem letzten Gespräch erzählte mir der feine Herr Alltag, dass er enttäuscht und eifersüchtig aufgrund meiner Auszeit mit dem Urlaub war. Es endete mit Herrn Alltags Erklärung, dass er nun erst wieder Vertrauen zu mir finden müsse und er sich erst dann wieder bei mir melden würde.

Mich ließ dieses Gespräch verwirrt und wartend zurück. Ohne den feinen Herrn Alltag war mein Tagesablauf nicht mehr derselbe.

In dieser Zeit der Schwäche und Warterei, sprach mich erneut der Urlaub an. Er habe eine super Idee:

„Donnerstag und Freitag, Du und ich. Wie wär’s?“ und er zwinkerte verschwörerisch.

„Ich weiß nicht. Was ist wenn sich Herr Alltag genau dann meldet?“, fragte ich unsicher.

Der Urlaub ließ nicht locker. „Vergiss doch die Spaßbremse! Verbring lieber mit mir ein verlängertes Wochenende auf einem Festival in der Lüneburger Heide.“

„Du meinst, ich soll Dir zugunsten nicht in die Arbeit gehen und mit Dir in die Lüneburger Heide fahren?“

„Genau. Das wird spitze! Wir können sogar am Montag noch nach Hamburg fahren und dort den Feiertag treffen.“

„Das klingt allerdings verlockend. Der feine Herr Alltag würde mir das aber nie verzeihen.“

„Denk drüber nach, mein Angebot steht.“

Ich war ratlos. Was sollte ich tun? Zum einen wartete ich auf ein Zeichen des Herrn Alltags, zum anderen bekam ich hier ein tolles Angebot des Urlaubs und sogar der gute alte Feiertag würde da sein.

Eine schlaflose Nacht liegt nun hinter mir. Noch müde sitze ich im Auto, fahre gen Norden, die Festival-Tickets im Gepäck. Der Urlaub hat, mal wieder, gesiegt.

Ich habe mich wohl nun endgültig vom feinen Herrn Alltag losgesagt. Der Urlaub meint, es ist das Beste so. Er hätte eh nie zu mir gepasst.

Es ist wohl der Beginn einer wundervollen Beziehung zwischen mir und dem Urlaub. A summers tale eben.

Aus dem Sommermärchen grüßt euch der 
Zaunfink

Alltagsgespräch

Der begeisterte Leser von „Green is the colour“ wird es bereits an meiner fehlenden Blog-Routine bemerkt haben und auch für mich wird die Erkenntnis immer unausweichlicher:

Der feine Herr Alltag und ich haben gerade eine Krise.

Immerhin bin ich nun schon seit über einer Woche aus dem Urlaub zurück und habe mich insgeheim sogar auf den den feinen Herrn Alltag gefreut. Doch dieser schien meine Präsenz überhaupt nicht zu bemerken. Er ignorierte mich einfach.

Der feine Herr Alltag und ich kennen uns bereits sehr lange. Wie in jeder Beziehung zwischen Mensch und Phänomen gibt es Höhen und Tiefen. Natürlich hatten der feine Herr Alltag und ich auch unsere Differenzen. Die meiste Zeit über haben wir uns jedoch vortrefflich verstanden.

Ich schätze an ihm, dass er meinem Leben Struktur gibt, eine Art Leitfaden. Ja, Neues auszuprobieren und zu erleben ist schön. Aber ich brauche auch die Sicherheit, die sich durch immer wiederkehrende Rituale ergibt. Der feine Herr Alltag hat mir genau das gegeben.

Ich nehme an, dass auch er mich mochte. Ansonsten hätte er es ja nicht so lange mit mir ausgehalten. Doch seit meiner Rückkehr ist alles anders. Ich habe versucht, ihm zu gefallen, sodass er mich mit offenen Armen empfängt. Aber nichts geschah.

Also suchte ich den Dialog:

„Feiner Herr Alltag, was ist los mit Ihnen? Sie kommen gar nicht mehr zu Besuch, melden sich nicht mehr bei mir. Das irritiert mich.“

„Das haben Sie sich ganz selbst zuzuschreiben, Frau Zaunfink.“

„Aber Herr Alltag, sind sie etwa böse auf mich?“

„Ja, bin ich. Und enttäuscht. Sie beteuern immer, wie sehr sie meine Anwesenheit schätzen und doch verschwinden Sie mindestens einmal im Jahr mit diesem Sunnyboy ‚Urlaub‘, der anscheinend Anwesen auf der ganzen Welt besitzt. Mal fahren Sie nach Brasilien, mal nach Italien, mal nach Norwegen. Da komme ich mir ziemlich veralbert vor.“

„Feiner Herr Alltag, Sie sind doch nicht etwa eifersüchtig…“

„Gewissermaßen.“

„Herr Alltag, wir kennen uns nun schon so lange. Ich weiß, ich brauche manchmal meine Auszeit und damit umzugehen ist nicht immer einfach. Die Wahrheit ist aber, dass ich Sie sehr schätze. Das mit dem Urlaub und mir ist nichts ernstes. Ein kleines Abenteuer, nicht mehr. Da ist keine Tiefe, keine Substanz dahinter und nach spätestens drei Wochen vermisse ich Sie. Und bis jetzt bin ich ja immer wieder zu Ihnen zurückgekommen. Ich brauche Ihre leitende Hand… Haben Sie überhaupt Hände?“

„Das müssen Sie mir sagen. Ich bin nur ein von Menschen gemachtes Phänomen.“

Der feine Herr Alltag und ich unterhielten uns noch eine ganze Weile. Es war eines unserer längsten Gespräche und ich merkte, dass ich ihn dieses Mal wirklich enttäuscht hatte. Er sagte mir, dass er auch mich schätze, denn ich würde ihn so nehmen wie er ist. Ohne mich zu beschweren. Allerdings brauche er noch Zeit um wieder volles Vertrauen zu mir zu fassen.

So gehen der feine Herr Alltag und ich seitdem erst einmal getrennte Wege. Ich habe noch so meine Probleme damit, alles sieht auf einmal so unkoordiniert und chaotisch aus. Ich versuche mir Listen zu schreiben, um alle meine Aufgaben und Erledigungen im Blick zu haben. Aber nur allzu oft übersehe ich die ein oder andere Sache. Der feine Herr Alltag hat das immer ganz wunderbar auf die Reihe bekommen, da entging mir nichts. Herr Alltag sagte mir, dass er sich bei mir melden wird, wenn er bereit ist.

Nun warte ich…

Es grüßt euch euer

Zaunfink Signatur detailliert2

Wolpertingern auf Skandikanadisch

Ich hege den Verdacht schon seit geraumer Zeit. Das Tier „Elch“, mit dem großen Geweih und der übergroßen Schnauze (nur die Nase, nicht die Klappe), welches vor allem in nordischen Ländern heimisch ist, existiert nicht. Googelt man nach ihm, findet man viele Bilder und Beschreibungen, ganze Seiten beschäftigen sich mit der Charakteristik und dem Lebensraum der Tiere. Einen Elch live zu sehen ist schon vielen geglückt – angeblich…

2012 habe ich mich das erste Mal auf die Suche nach dem Elch gemacht und bin nach Schweden aufgebrochen. Immerhin gehört der Elch zu Schweden wie der ewige Prinzenstatus zu Charles. Zwei Wochen fuhr ich durch dieses schöne, skandinavische Land, absolvierte sämtliche Wanderungen und Exkursionen um diese Tiere zu finden. Mir wurde gesagt, sie seien vergleichsweise leicht zu sichten. Sie seien groß und alleine schon beim Autofahren könne man, mit etwas Glück, Elche und evtl. ihren Nachwuchs im Wald entdecken. Nichts! Nicht ein einziger Elch weit und breit.

Frustriert kehrte ich zwei Wochen später nach Hause zurück. Aufgeben wollte ich nicht, und so plante ich schon bald einen Trip nach Übersee. Nach Kanada um genau zu sein. Ich zitiere aus Wikipedia: „In Nordamerika kommt der Elch vor allem in Kanada vor…“. Wenn also nicht da, wo dann?

Ich hielt mich an alle Tipps, fragte die Ortskundigen, fuhr und lief in der Dämmerung auf entlegenen Waldwegen, inspizierte Rodungen, hatte sogar ein Fernglas dabei. Eine Menge Tiere habe ich  in diesem drei-wöchigen Urlaub gesehen, darunter Bären und Biber. Aber keinen Elch.

2015 machte ich eine Pause mit der Suche. Zu frisch waren die Wunden aus Kanada und Schweden, zu frustrierend der Gedanke an ein weiteres Scheitern. Bis jetzt…

Ich wollte es erneut mit Skandinavien versuchen und es zog mich nach Norwegen. Dieses Mal sollte es gelingen, ich würde alles richtig machen. Ich würde mit einem Wohnmobil das Land erkunden, in der Wildnis campen und geschützt im Fahrzeug auf der Lauer liegen. Außerdem würde eine der vielen Wanderrouten bestimmt die ersehnte Sichtung bringen.

Nun, zwei Wocher später, kehre ich nach München zurück. Im Gepäck viele Fotos, v. a. von der tollen Landschaft Norwegens. Jedoch kein Foto eines Elches, denn wieder ist mir dieses Tier nicht unter die Augen gekommen.

Mein Verdacht erhärtete sich in den letzten Jahren und seit diesem Urlaub bin ich von meiner Überzeugung nicht mehr abzubringen: Der Elch existiert nicht. Die skandinavische und nordamerikanische Tourismus-Lobby hat dieses Tier erfunden, um mehr Besucher anzulocken. Irgendwann saß man zusammen am runden Beratungstisch und suchte nach Ideen, die den Tourismus ankurbeln würden. Mit purer Landschaft war der sensationsgeile Urlauber nicht mehr anzulocken. Schottland hat Nessie, der Himalaya hat den Yeti, Südamerika hat den Chupacabra. Der nördliche Teil des Erdballs brauchte auch eine Sensation.

Ein großes Tier soll es sein, aber nicht zu groß. Sonst wird es unrealistisch. Und hässlich soll es sein. Je hässlicher das Tier, desto größer die Attraktion. So begannen die Skandinavier und Kanadier ein Fabelwesen zu entwerfen. Die dünnen, hellen Beine eines Rentiers sollte es haben, aber den wuchtigen, dunklen Rumpf eines Ochsen. Dazu noch einen Bison-Buckel mit abstehenden, rauen Haaren bedeckt, damit es wirkt wie ein Biest. Ein lächerlich kurzer Reh-Stummelschwanz hinten dran und fertig ist der Körper. Nun zum Kopf, der auch kein schöner Anblick sein soll. Das Gesicht eines See-Elefanten z. B. erfüllt alle Kriterien: Eine absurd große Nase, die selbst das hübscheste Wesen entstellt. Dazu noch eine überhängende Oberlippe, um dem Tier einen sehr eigentümlichen Gesichtsausdruck zu geben. Auf neudeutsch denglisch nennt man dieses Phänomen „Duck Face“. Die kleinen Augen sind besonders wichtig, damit bloß kein Welpen-Effekt entsteht. Auf den See-Elefanten-Kopf setze man nun noch das Schaufelgeweih eines Dammhirsches (nur viel größer), heftet noch zwei Hasenohren an den Kopf (ungefähr die gleiche Größe wie beim Feldhasen) und hängt unten ans Kinn noch einen Ziegenbart. Fertig ist die Fabelgestalt Elch.

Nur wie könne man das Existieren eines solchen Tieres glaubhaft machen? Man stieß auf die urbayrischen Wolpertinger und begann, diese Methode für die Realisierung des Projekt „Elch“ zu verwenden. Eine Kreatur, bestehend aus oben genannten Tieren wurde erschaffen. Schon bald gelang es den Tüftlern eine Art Frankeinstein-Monster zu erzeugen, welches mittlerweile überall auf der Welt in Zoos zu finden ist. 

Frankenstein im Tierpark Hellbrunn, München


Der Elch wurde durch Redewendungen wie „zum Elch werden“ und Ausdrücke wie der „Elchtest“ langsam aber sicher in die Sprache und somit ins Bewusstsein eingeschleust. Vom Fund uralter Felszeichnungen wurde berichtet, die belegen sollen, dass der Elch schon seit Jahrtausenden ein bedeutendes Tier für die Skandinavier ist. Wikipedia-Seiten wurden erstellt, Geschichten um die spirituelle Wichtigkeit des Tieres ins Leben gerufen und auf einmal sprach alle Welt vom Elch.

Die enttäuschten Touristen, die selbstverständlich nie einen Elch in freier Wildbahn zu Gesicht bekommen würden, wollten ihr Scheitern nicht bekanntgeben und antworteten auf die Frage, ob sie einen Elch erspäht hätten, stets mit „Ja natürlich! Ein wirklich beeindruckendes Tier!“. So wird der Elch immer realer, seine Existenz nicht angezweifelt. 

Wird mir in Zukunft jemand diese Frage stellen werde auch ich sie mit einem „Ja“ beantworten. Nicht nur, weil ich mir genauso wenig die Blöße geben möchte, den Elch nicht gesehen zu haben. Sondern auch, weil dieses ausgefuchste Gemeinschaftsprojekt der Kanadier und Skandinavier insgeheim meinen Respekt verdient hat. Soviel globaler Zusammenhalt wäre auch anderen Stellen wünschenswert.

Einen schönen Tag wünscht der

Auf anderen Wegen

Aufgrund der Größe des Olympiaparks, unserem Haupt-Gassi-Geh-Ort, ist es mir und dem Wadlbeißer immer noch nicht gelungen, in alle Ecken vorzudringen. Ganz bewusst haben wir heute das Gewohnheitstier zuhause gelassen und uns für eine unbekannte Route durch den Park entschieden. Heraus kamen wir beim „Munich Olympic Walk of Stars“ oder kurz „MOWOS“. Ein Ort, der viele Künstler miteinander verbindet: Sie alle haben sich ihre Hände am feuchten Zement schmutzig gemacht, beim Erstellen eines Abdrucks.

Als wir so entlang flanierten entdeckte ich doch tatsächlich die Steine zweier Künstler bzw. Bands, die mein Herz gleich höher schlagen ließen:

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Roger Waters – The Wall Tournee, 2011

Am 20.06.2011 führte Roger Waters im Olympiastadion eines seiner legendären „The Wall“ Konzerte auf. In einer, laut offizieller Olympiapark-Homepage, „Ultra-Speed-Rekord-Verewigung“ drückte Roger auf dem Weg zur Bühne, unmittelbar vor dem Beginn des Konzerts, seine Hände in den nassen Zement. Es war das erste „The Wall“-Konzert in kompletter Länge seit 1990, welches Waters unter großen Aufwand erneuerte. Frei nach dem Motto: „Wollt ihr das totale Konzerterlebnis?“
Leider konnte ich bei diesem Konzert nicht dabei sein, ich weilte derzeit in Australien und kam erst gute zwei Monate später zurück nach Deutschland…

So liefen der Wadlbeißer und ich, ein bisschen wehmütig über dieses verpasste Konzert, den MOWOS weiter entlang und siehe da:

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Metallica – Madly in anger with the world Tour, 2004

Da war es! Mein allererstes Metallica Konzert vom 13.06.2004. Und es sollte nicht mein letztes bleiben. Insgesamt 4x habe ich meine persönlichen Helden des Heavy Metal live gesehen. Und hier fing alles an. Ich hatte Karten für den Innenraum und schaffte es, mit stundenlangen Anstehen und Sprint in das Olympiastadion in die dritte Reihe. Die Reihen sollten sich durch Gepoge und Crowd Diver bald auflösen und so bekam ich sogar ein paar Mal den Wellenbrecher direkt vor der Bühne zu fassen, um dann jedoch gleich wieder von springenden und grölenden Fans abgedrängt zu werden.

Die Jahre zuvor war von Metallica nur noch wenig zu hören, Krisen und Zerwürfnisse bedeuteten um die Jahrtausendwende beinah das Aus für die Kult-Metaller. 2003 standen sie wieder auf, wie Phönix aus der Asche, mit neuem Album und neuem Bassisten. Ein paar kleine Konzerte und Festivalbesuche wurden gegeben. 2004 nahm sich die Band eine Stadiontournee vor, in Deutschland spielten sie insgesamt in vier Stadien. München war das dritte Konzert dieser Deutschland-Tour und James Hetfield eröfnette das Konzert mit den Worten „Metallica feels good tonight“. Da war es auch schon geschehen, um mich und die restlichen 50.000 Fans. Wir sprangen, headbangten, pogten und ließen unseren ganzen Ärger und Frust hinaus. Ganz im Sinne des Tour-Mottos „Madly in anger with the world“.

Gut zweieinhalb Stunden später war das Spektakel, nach 18 Songs mit insgesamt zwei Zugaben, dann vorbei und ich schlich, komplett dehydriert und mit Ganzkörperschmerzen aber glücklich, zum Ausgang. So ein intensives Konzert hatte ich bis dato noch nie erlebt und es war die Warterei und Tortur wert. Ansonsten hätte ich mir in der Zukunft wohl kaum drei weitere Konzerte angetan. Ich erinnere mich, wie James Hetfield mitten im Konzert sagte: „We are happy to be here“ und oh ja, war auch ich glücklich darüber, da gewesen zu sein!

So schlenderten wir, der Wadlbeißer und ich, weiter des Weges. „Schlendern“ ist eigentlich das falsche Wort. Ich schlurfte, in Gedanken versunken. Der Hund sprang wie immer im Zick-Zack vor mir, neben mir, oder hinter mir umher, mit Stöckchen im Maul.

Vielleicht wird mir irgendwann noch das Glück zuteil, Roger Waters in meiner Wahlheimat München zu sehen. Ich hoffe immer noch, dass er heimlich diesen Blog liest und aufgrund diesen Beitrags wieder auf Tournee geht. Bis dahin bleibt mir nur David Gilmour, den wir uns morgen in Stuttgart ansehen.

Bis dahin, gehabt euch wohl,

euer

PS: Ach ja, nur um das Thema zu vollenden. Metallica machten aus ihrem Handabdruck ein richtiges Event. Auf der offiziellen Olympiapark-Website gibt es Bilder und ein ca. 5-minütiges Video von der ganzen Aktion.

Das war’s…

Aus und vorbei.

Nun sind wir müde.


Danke Jungs, für die tolle EM und bis zum nächsten Mal.

Euer 

Das Experiment

Ich liebe Routine. Mein Tagesablauf ist bis zum geht nicht mehr durchstrukturiert und auf Effizienz getrimmt. Und es ist jeden Tag, zumindest Wochentags, der gleiche Ablauf.
6.00 Uhr Wecker klingeln, 6.00.01 Uhr Positionierung des Körpers in die Vertikale, 6.00.02 Griff zur Brille, 6.01 Uhr erster Schluck vom Morgenkaffee.

Wie man also unschwer erkennen kann, ist das Aufsetzen der Brille (ich bin kurzsichtig) die zweite Tätigkeit des Tages, direkt nach dem Aufsetzen im Bett. Teilweise findet sie direkt nach dem Augenaufschlag und noch vor dem Aufsetzen statt, in jedem Fall aber vor dem Genuß des ersten Kaffees des Tages. Man könnte also sagen, meine Brille ist mir wichtiger als die tägliche Dosis „Hallo wach“. Und das will was heißen. Warum der Kaffe erst um 6.01 Uhr getrunken wird liegt schlicht und ergreifend daran, dass ich manchmal im Halbschlaf nicht den direkten Weg in die Küche finde, dann einen Umweg über das Wohnzimmer laufe und außerdem ja noch warten muss, bis die Kaffeemaschine „hochgefahren“ und der Kaffe durchgelaufen ist.

Heute morgen lief, mal wieder, etwas schief in dieser Routine. Zwischen Aufstehen und Kaffe fehlte der Griff zur Brille. Das merkte ich allerdings erst, als es schon zu spät war. Ich stand bereits in der Küche und das Schlafzimmer war unpassierbar. Immerhin kann meine bessere Hälfte etwas länger schlafen als ich und das soll er auch bitte auskosten. Einen Teufel werde ich tun und nochmal dort hinein zurückgehen und Gefahr laufen, ihn um den Schlaf zu bringen. Ich klopfte mir selber auf die Schulter. Was war ich doch für ein fürsorglicher und rücksichtsvoller Partner. Ohne Brille war ich gefangen in einer Welt ohne HD, dafür mit viel Weichzeichner. Ich mag diese Analogie. Seit der Installation eines neuen Photoshops erkläre und vergleiche ich sowieso alles mit den Zeichnen-Tools. All das würde ich in Kauf nehmen, nur damit meine bessere Hälfte weiter in Ruhe schlafen kann. Nun zahlt sich meine Routine aus. Trotz fehlender Sicht saß jeder Handgriff perfekt. Der richtige Kaffee wurde ausgewählt, die volle Menge Kaffee landete in der Tasse (was bei mir, s. Tell me why, nicht immer selbstverständlich ist), ich kam ohne Blessuren ins Bad und die Morgentoilette lief ab wie immer.

Ich entschloss, daraus ein Experiment zu machen. Wie gut kann Routine und Gewohnheit meine Fehlsichtigkeit ausgleichen? Der Test sollte heute noch starten.

Für den Weg zur Arbeit wählte ich das Transportmittel U-Bahn. Normalerweise würde ich die kurze Strecke bei diesem schönen Wetter mit dem Fahrrad zurücklegen. Aber ich bin nicht lebensmüde und wollte nicht der Grund für einen Verkehrsunfall sein. Der Weg zur U-Bahn verlief, da bekannt und genaustens auf meiner imaginären Landkarte vermerkt, problemlos ab. Die Anzeige der Ankunft der U-Bahn war unlesbar, jedoch kenne ich die morgendliche Taktung und wusste, dass ich nicht lange warten musste.

Der Zug kam, ich stieg ein. Auch hier war die Anzeige der nächsten Stopps nicht lesbar für mich. Ein Einstellungskriterium der Münchner Verkehrsgesellschaft ist übrigens eine besonders undeutliche und nuschelnde Aussprache. U-Bahn Fahrer sind also von Haus aus nicht zu verstehen, auf die Durchsagen der Haltestelle war somit kein Verlass. Auch die mir verbliebene visuelle Kontrolle half mir auf dieser Fahrt nicht weiter, da alle U-Bahnhöfe, die ich passieren muss, gleich aussehen. Also musste ich zählen. Ich bin überaus froh, dass es nur zwei Stationen sind. Auch um sieben Uhr frühs ist es mir durchaus möglich, bis zwei zu zählen und ich stieg an der richtigen Haltestelle aus.

In der Praxis angekommen ging die Routine weiter: Räume aufsperren, durchlüften, PC hochfahren, umziehen, alles konnte ich, dank jahrelanger Übung, ohne Probleme ausführen. Dann kramte ich meinen Patientenplan hervor, mit all den Namen derer, die heute bei mir auf der Pritsche liegen würden. Nun fingen die Probleme an, ich konnte die Namen nicht lesen. Ich beugte mich tiefer und tiefer über den auf dem Tisch liegenden Plan, bis meine Nasenspitze fast das Papier berührte. Ich übertreibe hier mal wieder maßlos. Ja, ich bin kurzsichtig und ja, ich sehe ohne Brille verdammt schlecht. Aber gute 30 cm entfernt darf der Plan schon liegen, damit ich die Namen entziffern kann. Ich schiebe es immer auf die kleine Schrift unserer Rezeptionistin.

„Schläfst Du, oder warum liegt Dein Kopf auf dem Terminplan?“ höre ich unsere Rezeptionistin hinter mir fragen.

„Nein, ich kann nur Deine kleine Schrift nicht lesen.“

„Das hat mit meiner Schrift gar nichts zu tun. Du trägst heute keine Brille.“ kombinierte sie messerscharf.

„Ja, ich bin heute ohne Brille unterwegs. Es ist ein Experiment.“ erkläre ich.

„Du meinst, Du hast sie daheim vergessen.“ frotzelte sie.

„Ich sage Dir doch, es ist ein Experiment. Ich habe mich bewusst dazu entschieden und möchte sehen, wo mich ein Tag ohne Brille hinführt.“

„Hoffentlich am Ende wieder nach Hause…“ entgegnet sie und verließ den Raum.

Ich sage mein eben festgelegtes Mantra still für mich im Geiste auf: „Du brauchst keine Brille. Du musst nur fühlen können.“

Los ging es zum ersten Patienten, Probleme an der Halswirbelsäule. Ich rief laut den Namen, folgte dann der Richtung, aus der die Antwort kam und fand die Kabine auf Anhieb. Eine Meisterleistung, es war die einzig belegte Kabine.  „Das klappt doch super!“ dachte ich bei mir. Die Behandlung ging los, der Patient lag auf dem Rücken und ich fühlte mich durch sämtliche Gewebeschichten durch. Nichts war anders als sonst. Es funktionierte also ohne Brille!

„Ich fühle mich etwas unwohl dabei.“ sagte auf einmal mein Patient.

„Wobei?“ fragte ich.

„Das sie mit ihrem Gesicht so nah an meinem hängen.“

Erst dann fiel es mir auf. Ich hatte mich hinter dem Patienten platziert und meine beiden Hände unter seinem Nacken vergraben und arbeitete so vertieft, dass ich nicht merkte, wie mein Kopf immer weiter Richtung Patientengesicht absank. Mein Gehirn wollte wohl ein klares Bild des Patienten und steuerte unbewusst meine Kopfbewegung.

„Es tut mir leid, ich trage heute keine Brille. Es ist ein Experiment.“

„Ein Experiment?! Haben sie ihre Brille daheim vergessen?“

„Ich habe heute morgen einen Fehler in meiner Routine gemacht und nun verbringe ich den Tag ohne Brille. Ich teste sozusagen aus, wie gut das funktioniert.“

„Und?“ fragte der Patient, mit einem Anflug von Neugier in der Stimme.

Mir fiel wieder mein Photoshop- und High Definition Fernsehen-Vergleich ein: „Es ist wie wenn ich sie mit einem Weichzeichner bearbeitet hätte, oder noch besser: Stellen Sie sich den Unterschied zwischen HD-TV und analogen Fernsehen vor. Ich sehe Sie gerade analog, eine niedrigere Auflösung und dann noch der Weichzeichner, der die Konturen und Details verschwimmen lässt. Im Prinzip ist es richtig schön, bei HD-TV stört mich immer, dass ich sämtliche Falten und Hautunreinheiten der Personen im Fernsehen sehe. Ohne Brille bleibe ich davon verschont.“

„Ich habe weder Hautunreinheiten noch Falten“ entgegnete mein Patient, deutlich pikiert.

„Ja, aber WENN sie welche hätten, könnte ich sie nicht erkennen. Für mich sind sie also makellos!“ versuchte ich die Situation zu entschärfen.

„Besonders nach dieser Aussage würde mich wohler fühlen, wären sie mit ihrem Gesicht nicht ganz so nah an meinem.“

Die erste Behandlung verlief also nicht ganz so, wie ich es mir erhofft hatte. Wenig später dokumentierte ich den Behandlungsverlauf in der Karteikarte des Patienten. Das passiert bei uns handschriftlich.

„Du schläfst sehr wohl“ hörte ich die bekannte Stimme der Rezeptionistin. „Und dieses Mal kannst Du es auch nicht auf meine Schrift schieben. Immerhin bist Du diejenige, die dokumentiert.“ Sie verließ den Raum.

„Meine Nasenspitze berührt noch nicht das Papier!“ rief ich verteigdigend hinterher.

Die weiteren Behandlungen des Tages verliefen ähnlich. Man glaubt kaum, wie schwierig es ist, Fehlhaltungen und Schonhaltungen mit aufgelegten Weichzeichner zu erkennen! Nach Feierabend traf ich mich mit meiner besseren Hälfte im Biergarten. Er würd da auf mich warten, sagte er. Ich irrte orientierungslos durch die Reihen, suchte die Tische nach einem bekannten Gesicht ab, kniff die Augen zusammen um eine Spur von ihm zu erhaschen. Aber ich konnte ihn nicht finden. Irgendwann bekam ich einen Anruf.

„Wo bist Du denn?“ fragte meine besser Hälfte am Telefon

„Ich glaube ich habe mich im Biergarten verlaufen. Ich kann Dich nirgends sehen.“

„Du hast Deine Brille daheim vergessen.“ sagte er amüsiert. 

„Ich habe sie nicht vergessen! Es war ein Experiment!“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz heute schon sagen musste. „Und außerdem hast Du noch geschlafen, nur deswegen kam ich überhaupt auf diese blöde Idee.“ Ich konnte meine Frustration nicht mehr verstecken.

„Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?“ fragte meine bessere Hälfte.

Er konnte den Frust wohl in meiner Stimme hören, denn sogleich bat er mir an, mich zu lotsen. Ich beschrieb ihn, so gut es ging, wo ich mich befand. Er teilte mir mit, wo ich hinzulaufen hatte und wenige Sekunden später stand ich neben dem Tisch an dem meine bessere Hälfte saß.

„Du kannst den Hörer jetzt weg legen. Ich bin direkt neben Dir.“

Erst jetzt erkannte ich ihn. Erleichtert ließ ich mich nieder.

„Ich habe etwas dabei für Dich.“ sagte meine bessere Hälfte mit geheimnissvollen Ton in der Stimme und zog meine Brille aus seiner Tasche hervor. „Damit Du nachher noch nach Hause findest.“

Ein Stein fiel mir vom Herzen. Ich bin mir sicher, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so froh war, meine Brille wieder zu haben. Also, ich meine die reguläre Brille, die für die Kurzsichtigkeit. Die rosarote Brille trage ich stets jeden Tag und nehme sie nie ab.

Allzeit gute Sicht wünscht euch euer

Zaunfink Signatur detailliert2

Studie über die verschiedenen Rausch-Typen

Jeder Mensch entwickelt ganz persönliche Verhaltensweisen, wenn er betrunken ist. Manche kommen auf dumme Gedanken, hören nicht mehr auf zu lachen oder reden ohne Punkt und Komma. Andere nerven einfach nur durch ihr lallendes und torkelndes Gehabe, wieder andere schlafen einfach ein. Gestern lud meine Praxis alle Angestellten und Partner der GbR zu einem Betriebsausflug, einer Floßfahrt auf der Isar, ein und ich durfte innerhalb weniger Stunden drei dieser verschiedenen Betrunkenheits-Typen beobachten.

Floßfahrt heißt übrigens nicht nur stumpfsinniges Dahintreiben im Wasser auf zusammengebundenen Baumstämmen. Floßfahrt heißt stumpfsinniges Dahintreiben auf zusammengebundenen Baumstämmen mit Brez’n, Leberkassemmeln, Bier und eigener Floßkapelle. So macht man das in Bayern. Klingt komisch ist aber so.

Wir trieben, nichts ahnend von den Dingen die da kommen mögen, auf der erstaunlich trüben Isar entlang. Die Band spielte heiter „Schöner fremder Mann“ von Connie Francis, da fuhren wir auf eine Brücke zu. Auf der Brücke stand jemand und winkte uns zu. Erst konnten wir nur schemenhaft die Umrisse der Gestalt erkennen. Ein Mann? Ganz klar! Ein Fremder? Wahrscheinlich. Schön?… Schwer zu sagen… er sieht irgendwie… nackt aus!

1. Rausch-Typ: Der Lustige Nackte

Der Fremde auf der Brücke

Je näher wir kamen, desto mehr wurde uns bewusst, dass der Fremde auf der Brücke nicht komplett nackt war. Das wäre schlimm genug gewesen. Das „Kleidungsstück“ (wenn man es so nennen darf), das er trug, war jedoch schlimmer als pure Nacktheit. Es war ein „Borat Mankini“ und es verhüllte nur das Notwendigste.


Unser Gegröle und Jubeln begrüßte „Borat“ mit einem kleinen Tänzchen und drehte uns dann auch noch sein blankes Hinterteil zu.

Fazit:Der lustige Nackte ist für eine Weile unterhaltsam, wird dann aber anstrengend. Er gehört jedoch zu den Rausch-Typen, die am besten ignoriert werden können. Einfach wegsehen oder weggehen und das war’s.

Wir schipperten weiter und kehrten zum Mittagessen in einen Biergarten ein. Hier begegneten wir der zweiten Kategorie:

 

2. Rausch-Typ: Die aufdringliche Labertasche

Kaum hatten wir Platz genommen, sahen wir eine Person auf uns zu wanken, nicht mehr ganz Herr seiner Sinne und bewaffnet mit einem Eis am Stiel. An unserem Tisch angekommen startete er die Konversation:

„Haaalloooo…!“ lallte die Person.

„Hallo“, murmelten wir distanziert zurück.

Seids ihr zum Essen hier?“ fragte er, gefährlich schwankend. (Man beachte das „s“ am Ende des Wortes „Seid“…)

„Ne, wir sind von den anonymen Alkoholikern und halten hier unser wöchentliches Treffen ab. Möchtest Du Dich dazusetzen?“ antwortete ich.

Wer blöde Fragen stellt, erhält blöde Antworten.

Wollts ihr ein Eis?“ fragte die aufdringliche Labertasche und hielt uns ein noch verpacktes „Nogger“ unter die Nase. (wieder dieses „s“…)

„Nein danke.“ antworteten wir alle im Gleichtakt.

Seids ihr alleine da?“ lallte die Labertasche und versuchte ungeschickt die Folie des Noggers zu entfernen.

„Mal ganz im Ernst, was soll das mit dem seids und wollts? Lass doch einfach das „s“ am Wortende weg.“ entgegnete ich.

Ich weiß, in solchen Situationen sollte man nicht mit grammatikalischen Verbesserungen kommen, aber ich konnte nicht anders. Ich war eben schon immer ein Klugscheißer.

„Wasss?“ nuschelte das betrunkene Etwas und lehnte sich zu mir. Das Nogger kam meiner Bluse gefährlich nah.

Das war der Moment in dem Frau einen Retter benötigt. Der Retter kam in Form eines etwas weniger betrunkenen Freundes der aufdringlichen Labertasche. Er zog und zerrte, so gut es eben ging, an der Labertasche bis dieser sich abwand. Beide torkelten davon und somit war wieder Ruhe und Frieden am Tisch hergestellt. Endlich konnten meine Kollegen und ich unser Mittagessen genießen.

Nach dem Essen ging es zurück aufs Floß. Die Kapelle spielte Seiler und Speer – Ham kummst und ich musste an die Begegnung mit „Nogger“ denken. Ob wohl daheim jemand auf ihn wartet, der sich genauso freut ihn zu sehen, wie die besungene Frau in o. g. Lied?

Bestimmt versteht der mir wohlgesinnte Leser, dass es mir in einer solchen Situation unmöglich war ein Foto des beschriebenen Exemplars zu machen. Ich setze hier einfach auf die kreative Vorstellungskraft des Lesers, der sich mit Hilfe meiner detaillierten Beschreibung bestimmt selber ein Bild dieses Betrunkenheitstypen machen kann.

Fazit: Die aufdringliche Labertasche gehört zu den anstrengendsten Verhaltensweisen. Sie ist durch ständiges Fragen stellen und unangenehmes Näherkommen besonders schwer zu ignorieren. Ihr siebter Sinn für momentane Aufenthaltsorte macht dieses Exemplar zu einem hartnäckigen Verfolger auf Partys. Egal, wie gut man sich versteckt, unter andere Gäste mischt, oder wie häufig man den Raum wechselt, die aufdringliche Labertasche findet einen. Aussicht auf Rettung besteht nur durch Schutz durch andere Personen (vorzugsweise nüchterne Personen).

Nach ca. einer weiteren Stunde Fl0ßfahrt und einer Menge Bier, um die Geschehnisse vergessen zu lassen, begegneten wir der für diesen Tag letzten, großen Kategorie der Rausch-Typen:

 

3. Der ekelhafte Exhibitionist

Ein Schlauchboot tauchte vor unserem Floß auf. In ihm saßen eine handvoll Männer, alle bis zum Rand mit Bier und anderen alkoholischen Getränken abgefüllt. Das war leicht an der allgemeinen Lautstärke und der verwaschenen Sprache zu erkennen, in der sich die Männer „unterhielten“. Als wir näher kam, versuchten die Männer unser Floß zu „entern“. Ein paar gelang der Sprung vom Schlauchboot auf’s Floß, alle anderen landeten in der kalten Isar. Unsere Flößer sahen dies natürlich nicht gern und versuchten die Eindringlinge fernzuhalten. Erst mit einem freundlichen aber bestimmten Ton in der Stimme, später mit weniger Ton, dafür mehr Lautstärke und Handgreiflichkeiten.

Dem Trupp passte dies wohl gar nicht, denn sogleich erhob sich einer von ihnen (so gut wie eben möglich), ließ seine Hose runter und pinkelte, direkt neben unserem Floß und vor unseren Augen in die Isar. Die Hände hatte er dabei genüsslich hinter dem Kopf verschränkt (Freihandpinkeln sozusagen) und die anderen im Schlauchboot feuerten kräftig an.

Gerechtigkeit muss sein, dank der fehlenden Koordination über die Körperfunktionen und einer ungleichen Verteilung des Ballasts bekam das Schlauchboot Übergewicht und der ekelhafte Exhibitionist fiel bäuchlings in den eben angepinkelten Fluss. Wenigstens war das Wasser an dieser Stelle nun etwas angewärmt.

Wieder kam mir Seiler und Speer – Ham kummst in den Kopf. Dieses Mal eine Textpassage am Ende des Liedes:

„Waunst amoi zu mia ham kummst, ruaf I die Polizei
Waun Du amoi zu mia ham kummst, daun sperrns Di ei.
Und es geht:
Tatü Tata, Tatü Tata, es geht Tatü Tata, wos wü der Pücha da!
Tatü Tata, es geht Tatü Tata, es geht Tatü Tata, wos wü der Pücha da!“

Die deutsche Übersetzung kann, bei Bedarf, über dieses Kontaktformular angefordert werden:

Auch vom ekelhaften Exhibitionisten machte ich kein Foto. Schlimm genug, dass sich dieses Bild vom pinkelnden Betrunkenen schon auf meiner kopfinternen Festplatte eingebrannt hat.

Fazit: Vom ekelhaften Exhibitionisten hält man sich besser fern, möchte man nicht mit dessen Körperflüssigkeiten in Kontakt kommen. Die Kontaminations-Reichweite kann, je nach Art der Flüssigkeit, wenige Zentimeter bis einige Meter betragen. Es ist also ratsam einen Sicherheitsabstand exponentiell ansteigend zu dem Grad der Trunkenheit einzuhalten.

Abschließend darf noch anzumerken sein, dass alle Rausch-Typen am nächsten Tag wohl einen ähnlich schweren Kater durchzustehen haben. Mir ist bewusst, dass ich längst nicht alle Typen erwähnt und beschrieben habe, das würde den Rahmen dieses Posts sprengen.

Du hast Deine eigene Verhaltensweise bei dieser Auflistung vermisst? Gerne darfst Du einen Kommentar mit kurzer Beschreibung deiner Wesensveränderung nach Alkoholkonsum hinterlassen. Das bringt Dir zwar gar nichts, aber zumindest haben alle anderen Leser und auch ich dann etwas zu lachen.

Ich freue mich auf eure Kommentare.

Euer

Zaunfink Signatur detailliert2

 

 

„Albtraum Jogginghose“ oder „Der soziale Abstieg“

Dank meines Berufs habe ich täglich Kontakt mit einer Menge Menschen. Ich kommuniziere mit ihnen, muss sie anfassen, tue ihnen etwas Gutes. Nein, ich bin keine Prostituierte, ich bin Physiotherapeutin. Viele Merkmale meines Berufs treiben mich fast täglich in den Wahnsinn, andere wiederum haben ihre Vorteile.

Z. B. haben Physios mit Abstand die bequemste Berufskleidung: T-Shirt, Turnschuhe und bequeme Hose. Es ist letzteres Kleidungsstück, welches den Umterschied macht, in Sachen Bequemlichkeit. Wo sonst kann man schon mit Schlabberhose seiner Arbeit nachgehen? Sie brachte uns Physios den Titel „Halbgötter in Jogginghose“ ein, welcher ganz klar eine Untertreibung ist. Karl Lagerfeld behauptet, wer Jogginghose trägt habe die Kontrolle über sein Leben verloren. Ich sage, den Trägern dieser Hose steht die Welt offen. Eine Welt voller Komfort und Bein- und Bewegungsfreiheit.

Als ich, vor 11 Jahren und damals noch in der Ausbildung, mit der Ausübung dieses Berufs begann, entschied ich mich frühs für eine straßentaugliche Hose und ein schönes Oberteil. 30 Minuten später kam ich zur Arbeit und warf mich dort in meine Arbeitskleidung, nur um mich dann, neun Stunden später, nach Feierabend wieder umzuziehen. Zuhause angekommen wurde mir die „normale“ Kleidung bald zu lästig und ich striff mir wieder Jogginghose und ein lockeres Oberteil über.

Bald erkannte ich die Nutzlosigkeit „normaler“ Kleidung. Wozu das viele Umziehen? Ich bin getrieben vom Streben nach Effizienz und nutzlose Tätigkeiten kosten Zeit und Energie. Weg also mit der Vielkleiderei! Ich schlüpfte also schon morgens in die Jogginghose und Arbeits-T-Shirt und war bereit. Mein Kleiderschrank ist in mehrere Stapel unterteilt. Arbeitsshirts haben einen eigenen. Es sind T-Shirts, die zwar passen und auch passabel aussehen, die ich aber trotzdem außerhalb der Praxis nicht tragen würde. Wie ich entscheide , ob ein Shirt zum Arbeitsstapel oder zum Alltagsklamotten-Stapel sortiert wird, kann ich nicht genau erklären. Es geschieht intuitiv. Meine Arbeitskleidung bildet also einen intuitiven Stapel.

Die Ökonomie, mit der ich nun meinen Tag bestritt, war unfassbar, sparte ich mir doch so wichtige zwei Minuten vor Dienstbeginn und wichtige zwei Minuten nach Dienstende. Das sind ganze vier Minuten oder, laut der Zaunfink’schen Zeitrechnung, vier Kaffees. Es kam mir vor wie ein Traum und ich schwebte im siebten Effizienz-Himmel. Ich ahnte nicht, welche Gefahren diese kleine Veränderung meines Tagesablaufs mit sich ziehen würde.

Bereits wenige Tage später zeichneten sich die ersten Folgen ab. Als ich eines Tages nach Feierabend nach Hause kam, fand ich mich ja bereits in bequemen Klamotten vor, kein Grund zum Umziehen also. An diesem Tag fehlte ein alltägliches Lebensmittel in meiner Küche. Ich weiß leider nicht mehr, was es war. Vielleicht war es Milch oder Eier. Kaffee war es bestimmt nicht, denn von dem habe ich stets so viel zu Hause, dass ich, für den Fall einer eintretenden Apokalypse, noch weitere sieben Jahre mit Kaffee versorgt wäre. Sagen wir einfach, es wäre Milch gewesen. Also, mir fehlte Milch.

Nun gibt es verschiedenste Wege an Dinge zu kommen, die man benötigt. Für Lebensmittel wähle ich so gut wie immer die konventionelle Art des Supermarktes. Ich wurde so erzogen, dass man sich, bevor man das Haus verlässt, anständig anzieht und zumindest einen kurzem Blick in den Spiegel wirft, ob man sich so der Menschheit präsentieren kann oder ob weitreichende Folgen, vielleicht sogar der Ausbruch des nächsten Weltkriegs, durch fettige Haarsträhnen im Gesicht oder einen Fleck auf dem Oberteil provoziert werden können. Manche nennen das eitel, ich nenne das Respekt vor mir selber und meinen Mitmenschen. An diesem Tag führte mich der Weg zur Haustür also, wie immer, am Spiegel vorbei. Ungewaschene Haare waren nicht das Problem, vielmehr trug ich noch dieselben Klamotten wie in der Arbeit. Ich begann abzuwägen. Schlussendlich siegte die Faulheit, es war doch schließlich nur ein kurzer Weg bis zum Supermarkt und ich würde ja dort auch nicht lange bleiben. Nur ein Päkchen Milch, das wäre alles. Und wenn mich meine Patienten so ertragen mussten, könnte es die Kassiererin bestimmt auch!

So fing es an, schleichend, ein Prozess der Verwahrlosung, des sozialen Abstiegs. Es blieb nicht beim kurzen Supermarktbesuch. Die Hemmschwelle, in Jogginghose das Haus zu verlassen, wurde immer niedriger. Bald fand ich mich an Bäckereitheken, in Banken, beim Frisör und sogar im Reisebüro in derartiger Kleidung wieder und immer war meine Rechtfertigung diesselbe: „Ist ja nur eben mal kurz…“

Es benötigte die Mithilfe meiner Freunde und Familie, mich wieder auf den rechten Weg zu bringen. Zuerst musste das Problem angesprochen und bewusst gemacht werden („Sag mal, findest Du nicht, dass Du in letzter Zeit etwas… verwahrlost?“), der Rest war schnell gemacht. Peinlich berührt führte ich sogleich die alte Regel wieder ein. Morgens anständig kleiden und dann Umziehen für den Rest des Tages. Diese Regel habe ich bis heute beibehalten und alle Beteiligten sind damit zufrieden. Ich, weil ich wieder „Kontrolle über mein Leben habe“ Vielen Dank hier an Karl Lagerfeld, meine Freunde und Familie, sowie sämtliche Mitmenschen, weil sie nun endlich nicht mehr diesen Anblick ertragen müssen und die Stadtwerke, da durch meine ständige Umzieherei seither mehr Wäsche anfällt und somit meine Wasserkosten in die Höhe schießen. Nur für die Patienten, für die ändert sich gar nichts. Von denen kommt lediglich der Spruch „Ich möchte auch mal den ganzen Tag in Jogginghose herumlaufen…“. Glaubt mir, ihr wollt es nicht!

Es grüßt euch der

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